Laudatio von Hans-Peter Jakobson

Von der Kunst der Beschränkung 

Die Studioporzellane der Tabea Surel

Tabea Surel hat sich ihren Kindheitstraum aus Berliner Zeiten erfüllt. 

Sie ist Keramikerin und das seit 2006 mit eigenem Studio in Weimar. Also aus der Hektik von Metropolis in die beschauliche Welt der schönen Künste und des Geistes.

Die Faszination des Kindes für den Ton wurde zu einer Leidenschaft, der sie sich im Grunde genommen täglich in ihrem Studio hingibt und die sie ausfüllt, die ihr Ärger, vielleicht auch manchmal Verzweiflung bringt, aber doch immer so viel mehr Glücksmomente, dass ihr nicht in den Sinn kommt davon zu lassen, sondern vielmehr sich selbst treu zu bleiben und dabei immer neu zu fordern. 

Der Grundstein für diese fortdauernde Liebe zum Beruf legte besonders die Ausbildung, kann doch eine mangelhafte oder gar schlechte Lehre einem jungen Menschen die Freude auf das angestrebte Ziel so gründlich nehmen, dass er sich auf immer davon abwendet. 

Nicht so bei Tabea Surel, sie stand im ersten Lehrabschnitt zwar fast davor, durfte dann aber mit 23 Jahren - einem Alter in dem man dies wohl zu schätzen weiß - ihre Lehre in der legendären Werkstatt von Hedwig Bollhagen als letzte Auszubildende zu deren Lebzeiten zum guten Ende führen.  Ich sage bewusst: DURFTE

Was kann einem jungen Keramikenthusiasten besseres geschehen, als unter dieser großartigen letzten Vertreterin jener goldenen Zeit der Deutschen Keramik vor und nach dem 2. Weltkrieg seinen Wunschberuf zu erlernen.

Dieses besonderen Privilegs ist sich die Studiokeramikerin durchaus bewusst und macht sie auch ein wenig stolz.

Es ist ihr aber ebenso auch Verpflichtung.

Die Liebe zum Gefäß als Grundlage des Berufes seit Menschengedenken, die Achtsamkeit gegenüber den einfachen liebenswerten und notwendigen Gegenständen für ein sinnvolles Leben im Alltag, die Sorgfalt, Präzision und Gewissenhaftigkeit der Ausführung als Teil der Verantwortung gegenüber dem Nutzer und gegenüber seinem Beruf und dies alles als ein anstrengendes, aber auch freudvolles Tun mit Selbstverständlichkeit anzunehmen, das mit ihrem Beispiel, ihrer Persönlichkeit in gelassener Souveränität  zu vermitteln, war die große Stärke der Hedwig Bollhagen. 

Auf sie trifft voll und ganz der alte und schöne Satz zu: Sie war eine wirkliche Prinzipalin. 

Solcherart geprägt hat sich Tabea Surel ganz bewusst und konsequent dem Gefäß verschrieben, ob in Kleinserien oder als Unikate.

Dabei macht sie sich den Grundsatz Wilhelm Wagenfelds, eines weiteren großen Meisters der Moderne zu eigen, dass brauchbare Dinge ihren Sinn nur dann erfüllen können, wenn sie auch schön sind. 

Somit erhält auch jede noch so routinemäßige Serieproduktion ihren Sinn, mehr als nur den Lebensunterhalt zu sichern. 

Sie wird zur Basisarbeit für Lebensqualität indem sie zwar unaufdringlich, aber doch nachdrücklich zur ästhetischen Gestaltung unseres Lebens beizutragen vermag. Und sie vermittelt auch etwas über den Nutzer und seine Haltung zu den Dingen.

Der Spagat zwischen den alltäglichen Anforderungen an eine gleichmäßige qualitätvolle Erfüllung der Aufträge und dem Wunsch nach Verwirklichung der eigenen Ideen und Weltsichten im Schaffen von Unikaten, bleibt erträglich im Wissen, dass es eben diese Nachfrage und diese Aufträge überhaupt gibt und dass viele Menschen sie brauchen, ja wohl regelrecht benötigen und zwar nur von ihrer Hand!

Man kann das gestalterische Credo Tabea Surels als eine Designproduktion mit den klassischen Mitteln der Handwerkskunst beschreiben. Sie bereitet eine Form durch präzise Zeichnungen wie eine Designerin vor, baut dann aber nicht eine Mutterform zur Vervielfältigung auf der Modellierscheibe, sondern schafft direkt an der Töpferscheibe mit sicherer handwerklicher Meisterschaft jedes einzelne Produkt.

Selbstverständlich in möglichst gleichmäßigen Wiederholungen, die aber immer wieder kaum erkennbare Toleranzen aufweisen und sich so als handwerkliche Arbeit zu erkennen geben. 

Sie kreiert eine Formensprache, ausgezeichnet durch klare und plastisch ausgespannte Körperhaftigkeit mit strengen Umrisslinien, die nach ebenso eleganten und ruhigen Oberflächen verlangt, ob matt oder glänzend glasiert, ob farbintensiv oder in Pastelltönen, wobei sich Außen und Innen im Dialog miteinander befinden. 

In dieser bewussten Beschränkung findet sie ihre Freiheit in immer neuen subtilen Wandlungen der Formen und Oberflächen von längst vertraut Geglaubtem.

Als deutliches Zeichen ihres Anspruches nach persönlicher Weiterentwicklung unter den Notwendigkeiten der Serien- und Studioproduktion darf die Hinwendung der Gestalterin zum Porzellan gelten, dieser launischsten und kapriziösesten aller Erden, bei deren Verarbeitung Freud und Leid so dicht wie bei keiner anderen beieinander liegen. 

Andererseits besitzt Porzellan so besondere Eigenschaften, dass es Handwerker, Designer, Modelleure und Bildhauer gleichermaßen in seinen Bann zieht. Die erregende Strahlkraft des Weiß, das sich wiederum in vielen Facetten von cremig bis kalt aufspaltet, seine Modellierfähigkeit und die Härte nach dem Brand, die Reflektion des Lichtes auf der transparenten Glasur und die Lichtdurchlässigkeit, auch die Möglichkeit es einzufärben und nicht zu vergessen die haptischen Qualitäten, ob die kühle Glätte des glasierten oder die samtige Anmutung des Biskuitporzellans, all das verführt Designer, Künstler oder Handwerker immer wieder dazu, sich auf dieses nicht ungefährliche Gebiet zu begeben. So auch Tabea Surel. Sie bleibt sich bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Werkstoff Porzellan aus guten Gründen treu. Das heißt, die Studiokeramikerin lässt sich nicht zu Experimenten mit ungewissem ästhetischen wie funktionalen Ausgang verführen, sondern schreitet den einmal eingeschlagenen Weg ruhig und folgerichtig weiter aus um dabei in der Auseinandersetzung mit dem Wesen dieses Materials an gestalterischem Profil und natürlich auch an Erfahrung und zunehmender Sicherheit zu gewinnen.

Das wird an dieser Ausstellung deutlich, die man als eine erste öffentliche Bilanz des dabei Erreichten verstehen kann.

Ausgangspunkt und Anlass ist der Gewinn des Hauptpreises dieser Galerie auf dem Leipziger Keramikmarkt im Grassi 2016, der ihr für ihren Schüsselsatz mit Deckeln zuerkannt wurde und eben mit einer Personalausstellung in der Galerie verbunden war, die sie nun heute 

vorstellt. Sie beschränkt sich dabei in wohltuender Weise auf die klassischen Elemente der Tischkultur: Schalen, Vasen, Becher, Schüssel, Kummen und Flachgeschirre, vor allem mit der aktuellen und sicher auch weiterhin zukunftsträchtigen Tendenz zur Kombination untereinander, in die sich jedes Element wie selbstverständlich einfügt. 

Dabei muss ausdrücklich daran erinnert werden, dass die gleichmäßige Wiederholung der Form nach exakter Entwurfszeichnung viel Geschick und Können benötigt. Es ist eben eines von den Dingen, die so leicht erscheinen und schwer zu machen sind. 

Die etwas voluminöser konzipierten Röhrenvasen mit leicht eingezogener Öffnung vermögen durch ihre Klarheit und Strenge einem sie umgebenden Raum auszuzeichnen und einen eigenen Charakter zu geben. 

Während sie in der Keramik die starken leuchtenden Farben und Farbkontraste nicht scheut, lässt sie hier beim Porzellan den lichten Pastelltönen den Vorzug wodurch sich die Objekte in einer stillen und freundlichen Art untereinander in Harmonie befinden. 

Auch das Spiel mit glasierten und unglasierten Innen- und Außenwänden fällt so weniger spektakulär aus und die Biskuitoberflächen leben allein von zarten Pastellmarmorierungen. 

Und eines vermitteln alle Stücke ob in lichtem Pastell oder strahlendem Weiß, ob glasiert oder unglasiert: 

Die geradezu unbändige Freude an ihrem Tun, die Freude sich mit allen Sinnen dieser wunderbaren Arbeit hinzugeben und jenen Moment zu genießen, sich selbst am Gelingen eines Gefäßes nach allen Prozeduren seines Entstehens zu erfreuen. Möge sich etwas von diesem Erleben auch auf die Nutzer ihrer Produkte übertragen und wir hoffen, dass es derer viele sein werden, die diese Ausstellung sehen und Objekte erwerben.

Wer Gefäße von Tabea Surel erwirbt, gibt sich als moderner, aufgeschlossener und aktiver Zeitgenosse einer Gesellschaft zu erkennen, der trotz oder gerade wegen des Überangebotes von modisch kurzlebigen und angeblich hippen Artikeln jedweder Art, eine werthaltige, das Schaffen von Hand anerkennende und eigen-sinnige Lebensform pflegt. Und man darf ruhig glauben, ihrer werden es immer mehr.

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Die kreative Welt in Weimar

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Ausstellung in der terra rossa Keramikgalerie